Kennen Sie das? Sie wollen mit einem Kollegen kurz ein Projekt besprechen. Und werden regelrecht zugetextet. Ohne Punkt und Komma werden Sie Zielpunkt eines unendlichen Monologs. „Wann atmet der eigentlich?“ denken Sie still und etwas gehässig für sich. Ja, der Vielredner, Dauerredner oder Geschwätzige kann schon mal die schlimmsten Seiten in einem wachrufen. Er redet endlos und lässt andere nicht zu Worte kommen. Und oft ist ihm das nicht einmal bewusst. Dabei schweift er vom Thema ab und weiß alles besser. Doch wie kommen Sie zu Ihrem Redeanteil? Wie erreichen Sie ein Gespräch, in dem beide gewinnen?

Erst ich, dann du? Nicht mit dem Vielredner

Natürliche Gesprächs- und Atempausen, in denen die Gesprächsanteile wechseln, tauchen beim Dauerredner meist nicht auf. Er hat meist unbewusst gelernt, mitten in seinem Satz zu atmen. Also zwischen Satzende und Satzanfang des nächsten Satzes entsteht kein Luftholen, in dem der andere einen Einwurf machen könnte. Eine gute (unbewusste!) Taktik, denn die meisten Menschen empfinden es als unhöflich, ihr Gegenüber mitten in dessen Satz zu unterbrechen. Aber die Lücke „dazwischen“ gibt es de facto nicht.

Machen Sie nicht diese Fehler

Warten Sie nicht höflich auf eine natürliche Gesprächspause, in der Sie sprechen können. Es gibt sie in der Regel nicht. Stellen Sie allgemeine Bestätigungen wie Nicken, aha, okay, verstehe, ahäm und dergleichen ein. Denn dies ist eine Gesprächsaufforderung. Und genau das wollen Sie vermeiden. Stellen Sie keine allgemeinen Zusatz- und Anschlussfragen. Wetteifern Sie nicht aggressiv um Redeanteile. Wenn Sie „normal-höflich“ oder der eher stille Typ sind, haben Sie im Kampf um Redeanteile gegen den Vielredner keine Chance.

Damit das Gespräch ausgewogen wird: Ziehen Sie alle Register

  • Erst einmal reden lassen und zuhören.
  • Loben. Beispielsweise „Gut, dass du darauf auch geachtet hast.“
  • Beim Luftholen fest und bestimmt ins Wort fallen. Einfach weiter sprechen. Dabei die Stimme nicht erheben und nicht druckvoll werden lassen. Ganz unbeirrt weiter reden.
  • Trickreich ist es, wenn Sie dabei dem was Sie sagen wollen, einfach Worte wie gut, prima, okay etc. voranstellen. Beispiel: „Gut, dazu passt, dass ich gestern mit Herrn Schmidt gesprochen habe …“
  • Anmerkung: Das, was Sie sagen, muss überhaupt nicht zu dem passen, was der Dauerredner vorher erzählt hat. Sehr wahrscheinlich hat er das Gesprächsziel nämlich aus den Augen verloren und Sie führen ihn wieder dorthin.
  • Weisen Sie auf die Zeitbegrenzung hin. Wichtig ist dabei, dass Sie dann das Gespräch auch beenden. Sonst machen Sie sich unglaubwürdig. Sagen Sie, dass Sie jetzt wie angekündigt keine Zeit mehr haben und gehen Sie. Sprechen Sie einen Termin für die restlichen Gesprächsinhalte ab. Selbst wenn Sie sich dazu in einer halben Stunde erneut treffen. Seien Sie konsequent.
  • Stellen Sie gezielt nur sogenannte W-Fragen. „Wann genau soll …“. „“Welches ist die größte Schwierigkeit?“ Beim Abschweifen des Dauerredner führen Sie ihn mit exakt der gleichen Frage zum Thema zurück.
  • Markieren Sie das Gesprächsende mit einem Schlußsatz. „Eine letzte Bemerkung noch…“.

Hilfreich kann es auch sein, in einem separaten Gespräch dem Vielredner die eigenen Beobachtungen mitzuteilen. Sprechen Sie dabei von sich „Mir geht es so …“. Das verhindert Rechtfertigungen, die entstehen, wenn man sagt „Du machst immer …“. Sagen Sie zudem, was Sie sich für die Zukunft wünschen: „Ich wünsche mir, dass ich von dir nicht mehr …“.

Paraphrasieren Sie – klingt kompliziert, ist einfach

Am wichtigsten ist beim Dauerredner, dass Sie die Gesprächsführung übernehmen. Wie machen Sie das? Fassen sie das Gehörte nach einigen Sätzen des Dauerredners mit ihren eigenen Worten zusammen. Steigen Sie notfalls mitten in den Satz des Vielredners ein. Verwenden Sie dazu Einstiegsformulierungen wie

  • „Wenn ich dich richtig verstanden habe …“
  • „Du bist also der Meinung …“
  • „Du meinst also …“

Das legitimiert Ihren Einwand bzw. die unhöfliche Unterbrechung in den Redefluss des Anderen. Zudem werden Missverständnisse sofort geklärt. Denn oft redet der Dauerredner so endlos viel, weil er nicht das Gefühl hat, vom Gegenüber richtig verstanden worden zu sein. Mit diesem „paraphrasieren“, dem Wiedergeben des Gehörten in der Kurzform, beweisen Sie, dass Sie zugehört und verstanden haben.
Mein letzter Tipp für Sie: Paraphrasieren plus Fragetechnik. Ein Beispiel: „Du meinst also, wir sollten noch kurzfristig das Team im Back-Office verstärken. An wen hast du dabei gedacht und in welchem Umfang?“

Ist der Vielredner in böser Absicht unterwegs? Nein!

Denken Sie auch bitte daran: Der Vielredner ist nicht „böse“. Sein Kommunikationsverhalten ist früh gelernt und lange ausgeübt. Meist fühlt er sich – unbewusst- nicht richtig verstanden. Und zwar weil die „ich-versteh-dich-Signale“ des Gesprächspartners ausbleiben, falsch oder unvollständig sind. Deshalb der Tipp mit dem Paraphrasieren „Du meinst also, dass …?“.
Wenn nichts hilft, sagen Sie mit fester Stimme, aber humorvoll: „Hallooooo! Ich habe dich wirklich verstanden! Du kannst aufhören!“ Auch wenn der Andere anfangs verdutzt reagiert, lachen Sie humorvoll, denn meist erkennen beide schnell das Komische an dieser Wendung.

Autorin: Wera Nägler  – www.wera-naegler.de