Geben und Nehmen sollten in einer ausgeglichenen Bilanz stehen. Das muss nicht immer völlig ausbalanciert sein. Aber eine grundsätzliche Ausgeglichenheit ist erstrebenswert, um nicht langfristig Gefahr zu laufen, eigene Bedürfnisse zu ignorieren. Oder um sich langfristig so zu erschöpfen, dass man kaum noch genug Kraft für sich selbst hat. Dabei hat jeder seine spezifische Art, Hilfe anzubieten. Wenn das gelingt, macht es zufrieden. Wenn es „zu viel“ und eine Belastung wird, dann bewegt man sich Richtung Helfersyndrom.

Doch schauen wir uns in diesem Beitrag die letzten beiden Helfermuster an. Falls Sie den Anfang verpasst haben, lesen Sie noch schnell in Teil 1 vom „Das-kriegen-wir-schon-hin-Macher“ und von der „Kind-du-musst-was-essen-Fee“ Klick!  Teil 2 stellte den „Schmuseknuddler“ und die „mobile Heulschulter“ vor. Klick!

Helfermuster 5: Immer-ein-offenes-Ohr-Typ

Bei diesem Helfermuster fühlen sich Ratsuchende wohl, die einfach nur erzählen wollen. Denn der „immer-ein-offenes-Ohr-Typ“ hört gut zu. Sein Wundermittel lautet „Sprich dich erst mal richtig aus!“. Er fordert auf: „Setz dich erst mal und erzähl mir die ganze Geschichte.“ Dabei zeigt er viel Geduld. Er unterbricht auch nicht und er unterlässt Kommentare und Bewertungen. Es gibt keine dummen Zwischenrufe. Und er nickt auch an den richtigen Stellen.

Sein Manko: Er wirkt oft zu distanziert und zu sachlich. Seine Zurückhaltung kann als wohltuend empfunden werden, aber auch als Desinteresse oder fehlendes Verständnis ankommen.

  • Besser ist: Versuchen Sie, Ihr Verständnis und Ihre Anteilnahme besser rüberzubringen. Hören Sie nicht die ganze Zeit zu. Sprechen Sie auch. Statt nur zu nicken, flechten Sie leise Worte wie „ja“, „verstehe“, „genau“, „aha“, „und dann?“ ein. Dies ist die 1. Stufe, aktiv zuzuhören, die Sie sich aneignen können.Erweitern Sie Ihre Repertoire, in dem Sie öfter „ich“ und „du“ sagen. Sagen Sie (mit Ihren eigenen Formulierungen) so etwas wie „das kann ich gut verstehen“ oder „das kann ich mir gut vorstellen/gut nachfühlen“. Steigern Sie sich, in dem Sie wiedergeben, was Sie verstanden haben: „Das glaube ich, dass du enttäuscht bist, dass deine Kollegin sich so verhalten hat, das wäre ich wahrscheinlich auch.“ Und zuletzt der Tipp: Bleiben Sie nicht immer beim „vornehmen“ Zuhören, sondern helfen Sie auch mal ganz praktisch.

Helfermuster 6: Weltanschaulicher Holzhammer

Dieser Helfertyp hat statt echter Anteilnahme eher Plattitüden in seinem Repertoire: „Das ist Gottes Wille“ oder „tja, schlechtes Karma, das ist eben so“ oder „das ganze Leben ist eine Illussion“ oder „die Welt ist korrupt und böse“.

Solche Redensarten können das Vertrauen in die Welt, eine gute Lösung oder ein „Happy-End“ mindern, wenn man sich als Ratsuchender an diesen Helfertyp wendet. Vertrauen und Hoffnung können sich verringern – keine gute Ausgangslage, wenn man sich an jemanden wendet, in der Hoffnung, Hilfe zu erhalten. Außerdem sollten Sie sich dann kritisch fragen, was Sie damit eigentlich ausdrücken wollen, wenn Sie beispielsweise sagen „jaja, es herrscht keinerlei Moral mehr“, während jemand den Tränen nahe vor Ihnen sitzt. Was soll das dem anderen Nutzen? Genau – gar nichts!

  • Besser ist: Erlauben Sie sich keine allgemeinen Redewendungen und Plattheiten mehr. Denn dahinter versteckt sich der anteilnehmende Teil Ihres Wesens. Trainieren Sie stattdessen echtes Mitgefühl. Denken Sie nicht darüber nach, wie der andere sich fühlt. Denken ist an dieser Stelle kognitive Rumdaddelei. Versuchen Sie zu fühlen, wie der andere sich fühlt. Dann werden statt Plattitüden Worte echter Anteilnahme von ganz allein kommen. Und die werden hilfreich sein.

Haben Sie sich in diesen beiden oder den vorangestellten Helfertypen wiedergefunden? Eventuell sind Sie auch ein Mischtyp oder nutzen je nach Gegenüber und Situation verschiedene Verhaltensweisen. Erproben Sie eine Zeitlang die vorgeschlagenen weiterführenden Strategien. Denn es geht ja nicht darum, dass Sie wer ganz anderes werden. Es geht darum, dass Sie mit Ihrem spezifischen Helfermuster flexibler werden. Und dass Sie nicht in den Fallstricken des Helfermusters hängenbleiben und auf Dauer Gefahr laufen, auszubrennen.

Autorin: Wera Nägler – www.wera-naegler.de