Kennen Sie das? „Du glaubst es nicht, mein Chef hat wieder mal …“, sagt Ihre Freundin. Oder Ihr Kollege beginnt das Gespräch mit „Immer wird nur bei mir …“. Wenn Ihr Gegenüber Sie so anspricht, aktiviert er meist Ihr Helfermuster. Helfen ist etwas Gutes. Und ein gut funktionierendes Netzwerk zu haben, in dem sich Geben und Nehmen ungefähr die Waage halten, hält Sie emotional gesund und leistungsfähig. Doch oft ist die Waage richtig schief. Dann tappt man nämlich in die Falle des eigenen Helfermusters. Kennen Sie eigentlich ihr Helfermuster? Und wollen Sie wissen, wie Sie aus Ihrem persönlichen Muster heraus den Schritt machen, um dem Anderen „Hilfe zur Selbsthilfe“ zu geben, statt in Richtung Helfersyndrom zu schlittern? Dann lesen Sie meine Helfer-Serie.

6 verschiedene Helferhaltungen

Der Psychiater Gerald May hat sechs Helferhaltungen entwickelt. Werner Tiki Küstenmacher hat sie beschrieben und erste Anregungen für weiterführende Strategien gegeben. Ich habe dies noch ergänzt und konkretisiert. Denn wenn man in seinem Helfermuster stecken bleibt, läuft man Gefahr, ein Helfersyndrom zu stabilisieren. Langfristig kann dies zum Ausbrennen führen. Das Helfersyndrom beschreibe ich zu einem späteren Zeitpunkt. Doch lesen Sie erst einmal die ersten beiden Helferhaltunge. vielleicht erkennen Sie sich schon in Ihren typischen Reaktionen? Natürlich können Sie auch ein Mischtyp sein.

Helfermuster 1: Das-kriegen-wir-schon-hin-Macher

Wenn Sie dieser Typ sind, sind Sie ein Mensch der Tat. Auf eine Problembeschreibung erfolgt von Ihnen in der Regel ein praktischer Tipp: Sie wissen den richtigen Arzt, wissen, wo man was bekommt. Und von Ihnen kommt bei Bedarf auch der Tipp, mit Yoga anzufangen, inklusive, bei wem am besten. Wenn der Ratsuchende ein Problem auf den Tisch legt, haben Sie ruck-zuck konkrete eine Handvoll Ideen. Sie haben nämlich den „Durchblick“, was der andere braucht. Und auch gleich die richtige Telefonnummer oder ähnliches parat.

Das ist schön – und Sie hören mein „aber“. Hier kommt es: Problematisch ist das, weil der Andere keine eigene Lösung entwickelt. Ihm wird durch Ihre Präsenz und Kompetenz nicht klar, was die Ursache seines Problems ist. Und was für eine Lösung er sich wünscht.

  • Besser ist: Bieten sie stattdessen Hilfe zur Selbsthilfe an. Nehmen Sie sich rechtzeitig zurück. Schieben Sie Ihre Lösungen erst einmal an die Seite. Seien Sie neugierig darauf, was der andere braucht. Gehen Sie davon aus, der der Ratsuchende seine Lösung schon in sich trägt und dass er sie auch selbst finden will. Lassen Sie sich nicht von einem hoffnungsvollen „Was soll ich denn jetzt tun?“ einfangen. Seien Sie einfühlsam, aber helfen Sie dem anderen, seine Lösung zu finden. Ganz am Schluss können Sie durch Ihre Art dann konkretisieren.Vorher aber stellen Sie Fragen, die dem anderen helfen, sein Problem besser zu verstehen. Und vor allem: Stellen Sie Fragen, mit denen er auf seine eigene Lösung kommen kann. Benutzen Sie Ihre Kompetenz dazu die sogenannten W-Fragen zu stellen: wer, wann, wieviel, wo, welche und vor allem „wie“ und „was“.
    „Was wäre für dich jetzt hilfreich?“
    „Wie würde ein erster kleiner Schritt in die richtige Richtung aussehen?“
    „Wer könnte dir helfen, damit du …?“

Helfermuster 2: Kind-du-musst-was-essen-Fee

Wenn Sie dieser Typ sind, folgen Sie Ihrem Leitsatz „Kulinarisches tröstet“. Kuchen, Eis, Schokolade oder ein Süppchen sollen es richten. „Essen macht dick, “ schreibt Werner Tiki Küstenmacher, „aber es löst keine Probleme.“ Auch dieser Helfertyp ist wieder sehr aktiv, während der Ratsuchende passiv ist. Sie „werkeln“, der andere sitzt am Küchentisch. Etwas Warmes, Süßes mag kurzfristig trösten. Es macht ein gutes Gefühl, wenn man merkt, dass sich in seinem Elend jemand so fürsorglich um einen kümmert. Während „die Welt da draußen“ eher kalt, fordernd, rücksichtslos oder ähnliches ist. Außerdem löst es Botenstoffe im Gehirn aus, die dazu führen, dass sich vieles entspannt.

Der Fallstrick wird schnell deutlich: So in Watte gepackt und rundum-versorgt, fühlt man sich gut aufgehoben. Wenn es ein kleines Problem ist, kann diese Strategie auch ausreichen. Meist aber wird nach dieser Wohlfühlphase der Blick auf das unveränderte Problem eher noch mehr Katzenjammer auslösen. Oder den Griff nach Schoki, Kuchen, lecker Essen.

  • Besser ist: Entwickeln Sie nach dem Schlemmen bei einem Spaziergang konkrete Pläne zur Problemlösung. Denn jetzt ist der Andere doch wirklich „satt und zufrieden“. Also ein Stück raus aus dem Stress, hat mehr Abstand und vielleicht auch mehr Ressourcen. Er hat wieder mehr Zugriff auf die eigenen Kompetenzen. Scheuen Sie sich nicht, die von Ihnen herbeigekochte wohlige Zufriedenheit zu „zerstören“, in dem Sie jetzt den zweiten Schritt initiieren.Nutzen Sie diesen guten Zustand des Anderen, um jetzt in Richtung Lösung zu kommen. Sehr gut gelingt auch Ihnen die Überleitung, wenn Sie einen kleinen „Verdauungsspaziergang“ vorschlagen, bei dem noch mal nach der Lösung gesucht wird. Trennen Sie also Ihre zwei Helferorte und Ihr Verhalten: Schritt 1 (wie bisher): Sitzen plus Problem besprechen plus Essen und das drinnen. Dann Schritt 2 (zusätzlich): Bewegen beim Spaziergang plus Lösung finden und das draußen.

In meinen nächsten Blogbeiträgen stelle ich Ihnen die weiteren Helfermuster vor. Es sind die Kind-du-musst-was-Essen-Fee, die mobile Heulschulter, der weltanschauliche Holzhammer und der immer-ein-offenes-Ohr-Typ. Vielleicht ist das ja genau Ihr Muster? Also gleich weiterlesen.

Autorin: Wera Nägler – www.wera-naegler.de