Kennen Sie das? Sie sind noch keinen halben Tag aus dem Urlaub zurück, da fühlen Sie sich vom Dauer-Jammern Ihrer Kollegen schon deutlich „heruntergezogen“. Ihre gute Laune und die Freude über den schönen Urlaub verschwinden schneller, als Sie Sie „piep“ sagen können. Oder Sie fragen einen Kollegen nach dem Urlaub und statt Urlaubsepisoden hören Sie ein „… der Urlaub war ganz schön, aber ich bin keine zwei Stunden hier und schon ist der ganze Effekt weg!“ Oder Sie fragen die Nachbarin nach dem Urlaub und hören nur Gejammer und Gemäkel über das schlechte Essen, unwillige Kellner, dreckige Strände und die Haltung „immer haben passiert uns das.“ Da wünscht man sich binnen zwei Minuten, gar nicht erst gefragt zu haben.
Dauer-Jammerer vergiften alles
Das gemeinsame Jammern über wirkliche und vermeintliche Probleme am Arbeitsplatz ist häufig schon ein automatisches Verhalten. In vielen Büros scheint es sogar die „normale“ Gesprächskultur zu sein. Und wer dann eigentlich gar nichts zu beklagen hat, läuft Gefahr, als Streber ausgegrenzt zu werden.
Gewohnheits-Jammerer jammern gerade auch in Freundschaftsbeziehungen die beste Freundin ständig gnadenlos voll. Oft finden sie über niemanden ein nettes Wort. Grundsätzlich sind Kollegen, Familienmitglieder, Chefs, Ämter, die Kassiererin einfach alle gegen sie, immer gibt es nur Probleme.
Menschen, die viel jammern, haben sich in einer Opferrolle eingerichtet und neigen Psychologen zufolge zu einem passiv-aggressivem Verhalten. Das Problem ist, dass Menschen, die dauernd jammern, andere Menschen enorm runter ziehen. Sie vergiften regelrecht die Atmosphäre und andere Menschen. Wenn Sie jetzt denken „Ich stelle dann einfach auf Durchzug und höre nicht zu.“ ist das leider auch keine Lösung. Denn unser Gehirn unterliegt automatisch diesen Einflüssen. Sie können nicht „weghören“ oder „abwarten, bis es vorbei ist“, ohne dass es Wirkung auf Sie hat. Die Profi-Jammerer, mit denen Sie in Berührung kommen, sind also nicht nur nervig, sondern haben eine größere Macht über Sie, als Ihnen bewusst ist.
Unterscheiden Sie zwischen „normalen“ Jammern und Gewohnheits-Jammerern
Jammern, schimpfen, lamentieren ist erst einmal ein völlig normales Verhalten. Wenn man den eigenen Unmut, Frust, Befürchtungen etc. äußert, geht es einem meist besser. Vielleicht gibt es durch Umorganisation oder Sparmaßnahmen Grund zum Jammern. Dann sind Klagen und „Litaneien“ ja gerechtfertigt. Das kennen Sie und ich sicher auch, das machen Sie und ich sicher auch. Und da entlastet es, wenn jemand zuhört oder ähnliche Nöte hat. Davon würde ich ganz klar die Gewohnheits-Jammerer unterscheiden. Denn viele Menschen Nörgeln um des Nörgeln willens. Das sind Menschen, die ausschließlich so reden. Alles ist ein Grund zum Jammern und die Welt ist schlecht. Und gerade ihnen gegenüber ungerecht.
Es gibt kein Zaubermittel gegen Dauer-Jammerer
Zunächst sollte man zuhören und Verständnis für die Nöte der Jammerer ausdrücken. Mit voreiligen Ratschlägen sollte man sich eher zurück. Ihr Gegenüber wird Ihnen in der Regel mit Leichtigkeit beweisen, dass Ihr Vorschlag unmöglich funktionieren kann. Oder dass Ihr Blick auf zum Beispiel den Service oder das Essen des Urlaubslandes bestenfalls naiv ist. In der Regel werden Sie kein „Recht“ bekommen.
Ideen-Kiste für den Umgang mit Gewohnheits-Jammerern
Welches Verhalten für die jeweilige Situation angemessen ist, kann man pauschal nicht sagen. Was zu mir an Reaktion passt, kann für Sie falsch sein. Was den einen Dauer-Jammerer aufweckt und ihm sein Verhalten bewusst macht, kommt beim anderen nicht an. Trotzdem eröffne ich jetzt eine Ideen-Kiste:
- Jammern Sie eine Zeitlang mit, um nicht ausgegrenzt zu werden.
- Empfehlenswert ist konkretes Nachfragen. Beispielsweise
„Woran hat es denn gelegen, dass es nicht geklappt hat?“ oder
„Was befürchten Sie konkret?“ oder
„Was belastet Sie dabei am meisten?“ oder
„Wie könnte es gelingen, dass …?“ oder
„Was wäre ein Schritt in die richtige Richtung?“ oder
„Was stattdessen/was wäre besser?“ oder
„Wie könnten Sie sich den Anfang etwas leichter gestalten?“ - Mit Einfühlungsvermögen kommen Sie weiter. Vielleicht wünscht sich Ihr Gegenüber einfach nur Aufmerksamkeit. Und viele Menschen haben in ihrer Biografie gelernt, dass sie diese mit Jammern eher bekommen. Wenn es einer Person schlecht geht, drückt Jammerei oft auch die eigene Hilflosigkeit oder die Sorge, es könnte noch schlimmer kommen, aus. In diesem Fall ist es hilfreich, konstruktive Wege ins Spiel zu bringen. Also weg von der Problemorientierung hin zur Lösungsorientierung (s. dazu die Fragen im vorherigen Punkt). Wobei Sie sich hüten sollten, die Lösungen und Vorschläge zu liefern.
- Es kann auch fruchten, die Befürchtungen im Gespräch ins Irreale oder Lächerliche zu übertreiben.
- Setzen Sie ein deutliches Signal! Sagen Sie unmissverständlich, dass die negative Haltung und das ständige Lamentieren Sie belasten. Formulieren Sie es als deutliche Ich-Botschaft. Wenn Sie mögen, betonen Sie, dass Sie sich sehr gern über andere Themen mit dieser Person unterhalten möchten.
Äußern Sie auch, wie Sie sich das Miteinander für die Zukunft wünschen. Das kann sein, dass Sie vereinbaren, dass beim netten Essengehen demnächst ganz am Anfang eine 20-minütige Jammerphase erlaubt ist, sich dann aber der Tenor des Abends anders gestaltet. Oder erklären Sie das Jahr 2014 zum „jammerfreien Jahr“. Der andere wird sich nicht komplett verändern, sich aber normalerweise zukünftig selbst mehr kontrollieren. Denn vielen Menschen ist gerade in nahen Beziehungen nicht klar, wie ihr Verhalten auf andere wirkt. - Bei Christine Öttl und Gitte Härter habe ich mal den Tipp gelesen: „Machen Sie ein Experiment: Krempeln Sie solche Jammergespräche einfach um: Wenn sich das nächste Mal jemand über die „Servicewüste Deutschland“ beklagt, dann setzen Sie einfach eine Geschichte von hervorragendem Service dagegen. Im Plauderton, ohne vorher darauf aufmerksam zu machen. Sicher verfallen die Leute, die eben noch miteinander gejammert haben, in Begeisterung über guten Service!“
- Fragen Sie ganz direkt, was der Andere mit dem Dauer-Jammern verbindet. Es gibt keine „weiche-nette-Kuschel-Möglichkeit“, dies zu tun. Formulieren Sie beispielsweise so: „Sag mal, was erwartest du von mir, wenn du mir all das erzählst?“ Und dann: Mund zu, nichts mehr sagen und atmen! Halten Sie eine mögliche Pause aus, denn dieses Vorgehen macht den Anderen meist erst einmal sprachlos. Vermeiden Sie Erklärungen, Rechtfertigungen, Deutungen. Es gibt keinen „eleganten“ Einstieg. Sobald Sie anfangen mit „Versteh mich jetzt nicht falsch, aber du bist ständig am nörgeln/jammern/unzufrieden … und da wollte ich dich mal fragen …“, ist das Gespräch meist nicht mehr zu retten. Fragen Sie einfach nur: „Was erwartest du von mir?“ oder „Was wünschst du dir von mir?“
- Wenn jemand ein Problem thematisiert, fragen Sie ganz einfach: „Was schlagen Sie vor?“ Oft wird der andere dann zögern, weil er aus dem Konzept gerät. Bleiben Sie konsequent bei Ihrem Kurs, beispielsweise: „Ach kommen Sie, irgendwas fällt Ihnen bestimmt ein.“
- … … …
Wie sind Ihre Erfahrungen mit Profi-Jammerern? Welche Rezepte haben Sie entwickelt, wie sind Ihre Erfahrungen damit? Ich bin gespannt auf Ihre E-Mails hallo@wera-naegler.de .
Autorin: Wera Nägler – www.wera-naegler.de